Papier weitestgehend aus der Fertigung verbannen: Das war das Ziel der Firma BE Beton-Elemente in Steißlingen. Stattdessen sind seit neuestem 15 Großbildschirme und sechs Monitore in der Produktionsanlage im Einsatz. Die Beweggründe hinter der Modernisierung sowie die Konfiguration und die neuen Prozessabläufe sehen wie folgt aus.
Das mittelständische Unternehmen BE Beton-Elemente hat seinen Stammsitz in Steißlingen, nahe der Stadt Singen in der Bodenseeregion. Bereits seit 1948 produziert BE Betonfertigteile und gehört damit zum Urgestein der Branche. BE fertigt hauptsächlich Elementdecken, Doppelwände und vereinzelt Thermowände. Im schweizerischen Biel hat die Firma ein Tochterunternehmen und betreut darüber die Westschweiz. Produziert wird ausschließlich in Steißlingen. Teil der Firmenphilosophie war es schon immer, auf dem neusten Stand der Produktionstechnik zu arbeiten. So gehörte BE zu den ersten Unternehmen, die einen Entschalroboter eingesetzt haben und die Laserprojektion zur Qualitätssicherung nutzen.
Status quo und Modernisierungsvorhaben
Die moderne Produktionsanlage in Steißlingen verfügt über einen Palettenumlauf mit 22 Arbeitsstationen, einem kombinierten Schal- und Entschalroboter, eine Bewehrungsanlage, eine Laserprojektionsanlage zur Qualitätskontrolle, einen automatischen Betonverteiler und ein Wendegerät sowie eine Härtekammer mit 65 Plätzen, die von einem automatischen Regalbediengerät versorgt werden. Das durchgängige Steuerungskonzept stammt aus dem Hause Unitechnik. Als Produktionsleitrechner ist UniCAM im Einsatz.
Der aktuelle Modernisierungsschritt der Anlage sah vor, die Leittechnik auf die neueste Generation hochzurüsten. Im Zuge der Umstellung auf UniCAM.10 sollten jedoch nicht nur die alten Prozesse nachgebildet werden. Ziel war es, die Produktion digitaler und moderner zu gestalten sowie alle relevanten Informationen just-in-time per Bildschirm anzuzeigen, statt auf Papier zu drucken.
Arbeitsanweisungen und Papierverbrauch
Bisher erhielt jede Palette eine ausgedruckte Übersicht des Projektes und ein Einzelblatt für jedes Element. Diese Arbeitspapiere wurden im Technischen Büro gedruckt. Anschließend fügte die Arbeitsvorbereitung auf manchen Einzelblättern handschriftliche Hinweise oder Textmarker-Markierungen hinzu. „Beispielsweise haben wir ISO-Körbe farblich gekennzeichnet, um die Zuordnung in der Produktion zu erleichtern“ erläutert Carlos Gaspar, der Leitrechnerspezialist bei BE. Die Papiere wurden dann auf die Produktionspalette gelegt und begleiteten diese an allen Arbeitsstationen bis zum Betonverteiler. Pro Palette liefen bisher circa drei bis vier Blätter durch die Produktion. Am Tag summiert sich das auf 200 Blätter und im Monat auf fast 5.000 Blätter, die nach Beendigung des Durchlaufs entsorgt wurden.
Diese ökologischen Aspekte waren jedoch nicht die einzige Motivation für die konsequente Digitalisierung der Prozesse. Das Unternehmen wollte die konjunkturell gute Phase nutzen, um die Produktivität der Produktionsanlage zu optimieren. Außerdem wollte man in Zeiten des Fachkräftemangels ein modernes und zukunftsorientiertes Arbeitsumfeld schaffen.
Informationen in der Produktion just-in-time bereitstellen
Das Konzept, das BE Beton-Elemente gemeinsam mit Unitechnik ausgearbeitet hat, sah vor, 15 Großbildschirme und sechs Computermonitore in der Anlage zu installieren. Als Großbildschirme kamen handelsübliche 55-Zoll-LED-Fernseher zum Einsatz. Durch den Preisverfall in diesem Segment ist der Einsatz dieser Geräte inzwischen wirtschaftlich vertretbar. Dort wo in erster Linie Einzelblätter angezeigt werden sollen, wurden die Fernseher senkrecht montiert. Bei der Anzeige eines DIN A4-PDFs erreicht man so eine möglichst großformatige Darstellung. An den Arbeitsplätzen „Nachschalen und Einbauteile“ sowie „Bewehrungsfixierung und Endkontrolle“ hängen zwei senkrechte Fernseher entlang der Palette. Angesteuert werden die Fernseher durch kleine Computer. Die sogenannten Thin-Clients haben keine eigene Festplatte und beziehen ihre Daten über das Netzwerk direkt vom Leitrechner UniCAM.10. Pro Thin-Client können zwei Fernseher oder Monitore angeschlossen werden. Eine Herausforderung bei der Konfiguration des Systems war, dass die Entfernung zwischen Thin-Client und Bildschirm nicht mehr als 10 Meter betragen darf.
Die Einzelblätter werden als PDF-Dokument angezeigt. Diese PDFs werden bei BE von einem Nemetschek CAD-System erzeugt. Im „Papierprozess“ wurden nun in der Arbeitsvorbereitung Anmerkungen für die Produktion auf den Einzelplattenauszügen vermerkt. Diese Funktion wurde auch in der digitalen Variante nachgebildet. Ein PDF-Editor, der in den Leitrechner integriert ist, gestattet es dem Mitarbeiter in der Arbeitsvorbereitung, Kommentare und Markierungen einzufügen. Diese Zusatzhinweise werden gemeinsam mit dem PDF gespeichert. Im Gegensatz zum alten Prozess, werden die Hinweise aber nicht mit dem Papierblatt entsorgt, sondern auf dem Leitrechner gespeichert.
Zurück in der Produktionsanlage: Fährt eine neue Palette in die Station „Nachschalen und Einbauteile“, werden automatisch die neuen Informationen geladen und auf den Bildschirmen angezeigt. An dieser Station hängen zwei senkrechte Großbildschirme entlang der Palette. Oben wird die Palettenübersicht angezeigt. Darunter erscheint das erste Element der Palette. Der Nachbarbildschirm zeigt das zweite Element. Mit einem Klick auf ein anderes Element in der Übersicht, wird das Einzelblatt für das ausgewählte Element angezeigt. Die verschiedenen Informationen liegen in unterschiedlichen Ebenen des PDFs. Ebenen können beliebig ein und ausgeschaltet werden. So kann beispielsweise die Bewehrungsinformation ein und ausgeschaltet werden.
Eine besonders komfortable Möglichkeit der Bildschirmsteuerung bietet ein separater Panel-PC mit Touch-Screen. Er ist in ein robustes Industriegehäuse eingebaut und direkt am Arbeitsplatz der Mitarbeiter montiert. Per Touch lassen sich die Elemente der aktuellen Palette den Bildschirmen zuweisen. Wenn die Arbeit an der Station erledigt ist, kann bereits die nächste Palette aufgerufen werden, um z.B. die benötigten Einbauteile zurecht zu legen.
Ein anderer Anwendungsfall ist die Betonierstation. Der Bildschirm hat hier die Aufgabe, alle Elemente der Palette auf einen Blick darzustellen. Daher werden die Einzelblätter aller Elemente nebeneinander eingeblendet. Der Monitor ist an dieser Stelle quer montiert, um möglichst viel Platz in der Breite zur Verfügung zu stellen.
Großbildschirm als Leitrechnermonitor
Einige Großbildschirme werden nicht für die Anzeige der Einzelblätter verwendet. Es werden dort bestimmte Masken aus dem Leitrechner angezeigt. Am Stapelplatz ist das die Auslagerliste. Auf einem anderen Bildschirm läuft die Anlagenvisualisierung und auf einem weiteren, an zentraler Stelle, das Dashboard mit den Produktionskennzahlen. Keiner soll in den Leitstand laufen müssen, um benötigte Informationen abzurufen. Die Informationen erreichen die Mitarbeiter direkt und werden ihnen genau dort angezeigt, wo sie benötigt werden. Das spart unnötige Wege und Rückfragen.
Mitarbeiter unterstützen Prozessoptimierung
Die Digitalisierung ist bei BE ein Projekt, an dem alle Mitarbeiter beteiligt sind. Die digitale Infrastruktur, in Form von Großbildschirmen an den Arbeitsplätzen, ist nicht der Abschluss, sondern der Beginn eines Change-Prozesses. Gemeinsam werden die Abläufe verbessert und neue Ideen ausprobiert. Die digitalen Hilfsmittel erhöhen dabei den Gestaltungsspielraum.
Fazit
Sinkende Preise bei den Fernsehgeräten machen eine digitale Infrastruktur im Produktionsbereich bezahlbar. Bereits im ersten Schritt bringt das Digitalisieren der bisherigen Prozesse zahlreiche Vorteile mit sich: Rohstoffe werden eingespart, Laufwege und Rückfragen reduziert sowie die Transparenz erhöht. Ein attraktives und modernes Arbeitsumfeld entsteht. Das schafft Raum für neue Ideen, motiviert Mitarbeiter und hat das Potential für viele kleine Produktivitätssteigerungen. Der große Vorteil besteht jedoch in den Möglichkeiten in der Zukunft. Insbesondere profitieren die Unternehmen von der dynamischen Entwicklung bei den Endgeräten. Der nächste Schritt könnten beispielsweise Wearables sein, die Informationen noch bequemer bereitstellen und eine intuitive Rückmeldung ermöglichen.