Vollautomatische Produktionsversorgung dank AMR-Flotte und Spezialroboter

DEHN SE geht einen weiteren Schritt in Richtung Zukunft – um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die gesteckten Wachstumsziele zu erreichen, hatte sich das oberpfälzische Unternehmen für die Erweiterung seiner Produktion entschieden. Im benachbarten Mühlhausen entstand eine moderne, um 30 Prozent größere Fertigung mit vollautomatischer Produktionsversorgung. Herzstück der von Unitechnik Systems realisierten Produktionslogistik sind ein fahrerloses Transportsystem und ein speziell entwickelter Portalroboter mit multifunktionaler Greifeinheit.

1910 gegründet, zählt die DEHN SE heute zu den weltweit führenden Unternehmen der Elektrotechnik. Mit über 1.100 Patenten ist das Familienunternehmen aus Neumarkt i. d. Oberpfalz Innovationsführer in den Bereichen Blitz-, Überspannungs- und Arbeitsschutz. Die Produkte von DEHN schützen Menschen und Gebäude, Anlagen- und Telekommunikationstechnik, die Prozessindustrie sowie Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Das Portfolio umfasst über 4.000 Geräte und Komponenten. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen weltweit mehr als 2.400 Mitarbeiter.

Umzug und Modernisierung der Produktion
In Mühlhausen, rund 10 km entfernt von Neumarkt, befindet sich seit 2014 das Logistikzentrum für die Produktionsversorgung und den Versand, aber auch ein kleiner Teil der Produktion des Familienunternehmens. Eine für rund 50 Mio. € neu errichtete zweigeschossige Produktionshalle in Mühlhausen beherbergt nun den Großteil der Produktion, bestehend aus den vorhandenen Maschinen, aber auch Neuanschaffungen. Insgesamt vergrößert sich die Produktion auf einer Fläche von 20.000 m2 um 30 Prozent.
Ein weiteres Argument für die Produktionserweiterung in Mühlhausen war, dass bisher alle für die Produktion benötigten Komponenten per Lkw von Mühlhausen nach Neumarkt und die fertigen Produkte wieder zurück transportiert werden mussten. Dieser Aufwand kann durch den Umzug deutlich reduziert werden. Um die steigende Nachfrage auch langfristig effizient bedienen zu können, entschieden sich die Verantwortlichen für eine hochmoderne Produktionslogistik. Das Ziel: ein hoher Automatisierungsgrad und ein mannloser Materialtransport sowohl im Lager als auch im Produktionsbereich. DEHN war auf der Suche nach einem Experten, der ein skalierbares System implementieren konnte, das gleichzeitig flexibel ist und die Bereiche Produktion und Lager voneinander entkoppelt.

Unitechnik unterstützt bei Planung der Produktionslogistik
Um die Anforderungen an das automatisierte Produktionslager und die Kapazitäten zu ermitteln, beauftragte DEHN einen externen Planer mit der Grobplanung. Nach Ermittlung der Materialflusszahlen, des Stellplatzbedarfs und des Grobkonzeptes entschieden sich die Verantwortlichen für eine vollautomatische Produktionsversorgung mittels eines fahrerlosen Transportsystems. Mit der detaillierten Ausarbeitung des optimalen Logistikkonzeptes beauftragte DEHN die Unitechnik Systems GmbH. Die Planung umfasste unter anderem den Vergleich alternativer Lagersysteme, das Materialflusslayout, die Gestaltung der Kommissionierarbeitsplätze und die Definition von Prozessen und Schnittstellen sowie das Roboterkonzept für die Stapelung der Behälter auf den Bodenrollern. Bodenroller werden bei DEHN als Ladungsträger zur Versorgung der Produktionslinien verwendet.

Ein besonderes Augenmerk lag unter anderem auf der Ergonomie der Arbeitsplätze. Für die geplanten Kommissionierplätze hat DEHN auf Basis der 3D-Daten von Unitechnik den Arbeitsplatz im Maßstab 1 : 1 in Karton gebaut und getestet. Diese Vorgehensweise nennt man auch Card-Board-Engineering. So konnten die Mitarbeiter ihren zukünftigen Arbeitsplatz ausprobieren und vorab wertvolles Feedback geben.

Nach der Planungsphase erfolgte die Auftragsvergabe für die Realisierung des Logistiksystems. „Wir haben bereits bei der Realisierung unseres Logistikzentrums in Mühlhausen erfolgreich mit Unitechnik zusammengearbeitet“, begründet Christian Müller, Director Logistics bei DEHN, die Wahl. „Deshalb haben wir großes Vertrauen, dass auch die Umsetzung der Produktionslogistik bei unserem langjährigen Partner in guten Händen ist.“

43.000 Stellplätze für das Produktionsmaterial
Der Lieferumfang von Unitechnik umfasste neben der Erweiterung des bestehenden Lagerverwaltungssystems UniWare ein neues Shuttlelager, die Behälterfördertechnik, vier Kommissionierarbeitsplätze, einen multifunktionalen Portalroboter, die Anbindung des AMR-Systems sowie die gesamte Steuerungs- und Sicherheitstechnik.

Das neue Shuttlelager verfügt über zwei Gassen mit 42 Regalebenen. Die ca. 43.000 Stellplätze werden von 14 Shuttles pro Gasse bedient. Weiterhin verfügt jede Gasse über zwei Behälter- und einen Shuttleheber. Dort wird neben Vorratsbehältern mit Roh- und Halbfertigteilen auch vorkommissionierte Ware eingelagert. Die Behälterfördertechnik verbindet das Lager mit vier Kommissionierplätzen, den Roboterübergabeplätzen und diversen Ein- und Auslagerstichen. Die Besonderheit: Sechs verschiedene Behältergrößen müssen transportiert und gelagert werden, jeweils noch mit und ohne Deckel.

Am Kommissionierplatz entnimmt der zuständige Mitarbeiter die gewünschte Menge an Bauteilen aus dem bereitgestellten Quellbehälter und befüllt damit einen Auftragsbehälter der passenden Größe. Beim „Zählen“ unterstützt ihn eine präzise Waage.

Spezieller Portalroboter als Dreh- und Angelpunkt der Produktionslogistik
Zwischen dem Lager und dem Produktionsbereich befindet sich in einem durch Schutzzäune abgetrennten Bereich das Herzstück der automatisierten Anlage – ein speziell entwickelter Portalroboter mit multifunktionaler Greifeinheit. Dieser ist für die Verteilung und Stapelung der vorkommissionierten Behälter auf die Bodenroller zuständig. Die Herausforderung: Die unterschiedlichen Ladungsträger erfordern einen multifunktionalen Spezialroboter. Diese Anforderung hat Unitechnik in Zusammenarbeit mit dem Portalroboter-Spezialisten RO-BER umgesetzt. Die Eigenentwicklung kann bis zu sechs verschiedene Behältertypen sowie Europaletten und Bodenroller greifen. Die verschiedenen Behälter eines Auftrags werden vom Roboter automatisch nach einem durch UniWare berechneten Layout auf jeweils einen Bodenroller gestapelt. Anschließend übernimmt ein fahrerloses Transportsystem den fertig bestückten Bodenroller und fährt ihn in einen Pufferbereich, den so genannten Supermarkt.

Darüber hinaus ist der Roboter für den automatischen Eingang von Ware aus anderen Werken zuständig. Ein fahrerloses Transportsystem fährt die Paletten mit gestapelten Behältern direkt in die Roboterzelle. Der Roboter erkennt Typ und Position der einzelnen Behälter, nimmt sie ab und setzt sie auf die Fördertechnik. Anschließend werden sie in das Shuttle-Lager eingelagert.

AMR-Flotte bedient die Arbeitsplätze
Bei den fahrerlosen Transportsystemen unterscheidet man zwischen den klassischen spurgebundenen FTS-Fahrzeugen und Autonomen Mobilen Robotern (AMR), die frei auf der Fläche navigieren können. DEHN hat sich für AMR von Agilox entschieden. Diese sind mit Schwarmintelligenz ausgestattet. Das heißt, das System entscheidet dynamisch aufgrund der aktuellen Situation, welches Fahrzeug welche Aufgabe übernimmt. Insgesamt neun AMR vom Typ ODM wurden in enger Abstimmung mit DEHN modifiziert. Die Hauptaufgabe dieser AMR-Flotte ist der Transport der Bodenroller mit dem Material für die Produktionsaufträge. Zunächst wird die Ware in der Roboterzelle aufgenommen und im Supermarkt abgestellt. Dieser entkoppelt die Produktion vom Lagerbereich. Wird ein Auftrag abgerufen, transportiert der nächste freie AMR den zugehörigen Bodenroller vom Supermarkt an die Produktionslinie.

Ergänzt wird die AMR-Flotte durch vier Geräte vom Typ ONE, die Palettentransporte durchführen und Waren zwischen der Produktion und dem benachbarten Logistikzentrum transportieren.

UniWare steuert Distributions- und Produktionslogistik
Das Gehirn der Logistikanlagen am gesamten Standort Mühlhausen ist das Lagerverwaltungssystem UniWare mit integrierter Materialflusssteuerung und Anlagenvisualisierung. Eine besondere Herausforderung bei diesem Projekt war die Stapelbildung auf den Bodenrollern. Aus einer Vielzahl von Parametern und Abhängigkeiten gilt es den optimalen Aufbau der Behälterstapel zu berechnen.

Als Schaltstelle des Logistikzentrums hat UniWare Schnittstellen zum ERP-System SAP, zum MES-System Hydra, zum Portalroboter von RO-BER, zum AMR-System von Agilox und natürlich zu den Unitechnik-Steuerungen für Lager und Fördertechnik.

Mit automatischem Transport gegen den Fachkräftemangel
Trotz Pandemie und Krieg in der Ukraine konnte das neue Produktionslager in Mühlhausen i. d. Oberpfalz termingerecht im Juni 2023 fertiggestellt werden. Robert Berger, Projektleiter von Unitechnik, zieht auch deshalb ein positives Fazit: „Die Zusammenarbeit mit DEHN war auf allen Ebenen sehr konstruktiv und auf das gemeinsame Ziel ausgerichtet“, so Berger. „So konnten wir das Projekt trotz der äußeren Einflüsse zur Zufriedenheit aller Beteiligten abschließen.“

Auch für Christian Müller ist das Projekt ein voller Erfolg: „Neben der Integration der AMR-Flotte war die Planung und Entwicklung des Portalroboters eine Herausforderung, die unsere Partner aus Wiehl mit Bravour gemeistert haben“, resümiert er. „Durch die automatisierte Produktionsversorgung sind wir zum einen für zukünftiges Wachstum bestens aufgestellt, zum anderen umgehen wir den Fachkräftemangel in unserer Region.“

 

Herzstück der automatisierten Anlage ist ein Portalroboter mit multifunktionaler Greifeinheit

Shuttle-Lager mit 43.000 Stellplätze in zwei Gassen mit 42 Regalebenen

Die Behälterfördertechnik verbindet das Lager mit der Kommissionierung und den Roboterübergabeplätzen

Kommissionierung des Materials für Produktionsaufträge

Der Portalroboter kann bis zu sechs verschiedene Behältertypen sowie Europaletten und Bodenroller greifen

Unterschiedlich große Behälter werden auf einen Bodenroller gestapelt

Ein Pufferbereich, auch Supermarkt genannt, entkoppelt die Produktion vom Lagerbereich

AMRs transportieren die Bodenroller vom Supermarkt an die Produktionslinie